Ein glückliches Adieu von Daisy!

Hallo! Ich bin’s, die Daisy. Ich möchte Euch heute selbst schreiben, und bitte habt ein bisschen Nachsicht mit meiner Sekretärin und ihren Versuchen, meine Empfindungen in Eure Menschensprache zu übersetzen. Denn obwohl die Menschen so viele Worte haben – es lässt sich doch nicht alles in ihnen ausdrücken. Manches liegt einfach jenseits aller Worte.

Seht in meine Augen, in denen heute ein ganz besonderer Glanz ist, als ob sich die Sonne darin spiegelt, dann wisst Ihr, wie es in meinem Herzen aussieht. Meine Augen sagen Euch alles. Sie sprechen von der Vergangenheit, in der ich den Verlust meines Zuhauses verkraften musste; das ist lange her. Sie sprechen über das Auf und Ab von Resignation und Hoffnung. Sie sprechen von Phasen des Glücks, wenn meine Gassigänger kamen, und von der großen, ach so schweren Herausforderung, die ‚Vertrauen‘ heißt.  Vertrauen ist sicher eines der schönsten Gefühle auf der Welt: Du tust alles für mich. Du liebst mich, Du führst mich. Du lässt mich nicht im Stich. Bei Dir finde ich Sicherheit und Orientierung. Ab und zu bekam ich schon eine Ahnung von diesem Gefühl; dann schmiegte ich mich an und wollte gestreichelt werden, und forderte meine Gassigänger auch zum Spielen auf. Denn das ist nunmal so bei uns Hunden: Wir brauchen den Menschen. Eine uralte, wundersame Geschichte ist das mit den Hunden und den Menschen: Wenn wir die Brücke gefunden haben, über die wir zueinanderfinden, dann verbinden sich unsere Herzen.

Aber Liebe allein reicht nicht. Der Mensch muss unsere Seele verstehen, und so viele unterschiedliche, einmalige Menschenseelen es gibt, so viele unterschiedliche, einmalige Hundeseelen gibt es. Und wer mich ergründen will, der braucht Zeit und Geduld.

Viele Besucher habe ich hier im Tierheim kommen und gehen sehen. Ich spürte, wenn rechts oder links von mir der Funke Liebe aufstrahlte zwischen Mensch und Tier, und wenn für einen von uns der große, der einzigartige Tag kam, der ‚Nach Hause‘ heißt, und ein Zauber von Hoffnung auch uns andere umgab, bevor wir wieder in den Tierheimalltag zurücksinken.

Und dann, auf einmal – eine Veränderung. Schon im Spätsommer kamen zwei Menschen zu mir. Sie kamen jeden Tag. Ich konnte es zuerst kaum glauben. Das musste doch etwas zu bedeuten haben! Wir lernten uns näher kennen, und sie haben sich in genau der richtigen Weise mit mir befasst. Ich fühlte, dass sie sich viele Gedanken machten, und dass diese Gedanken mich mehr und mehr einschlossen. Wenn sie gingen, fühlte ich, sie würden wiederkommen; jedesmal nahmen sie einen kleinen Teil von mir mit, und ein Teil von ihnen blieb bei mir. Es war wie ein Band, das sich um uns schlang. Dieses Band war noch zart, und trotzdem so fest, als könnte es nicht mehr zerreißen…

Kann es wahr sein? Ist das Glück zu mir gekommen? Ja. Es ist geschehen. Alle Türen öffneten sich. Und ich ging mit meinen beiden Menschen zu dem Ort, den unzählige Menschenworte als den schönsten der Welt preisen, und der auch für mich alles bedeutet und nun für mich Wahrheit geworden ist – ich bin zu Hause.